General

ProMosaik e.V. interviewt Wer hat Angst vor Kopftuchmädchen?


Liebe
Leserinnen und Leser,
anbei
ein neues Interview von ProMosaik e.V. mit der Facebook-Seite „Wer hat Angst
vor Kopftuchmädchen“? 
Angesichts
der schweren Diskriminierungen der muslimischen Frauen in Deutschland finden
wir von ProMosaik e.V. den Namen der Initiative wirklich großartig, denn wir
sind der Meinung, dass Islamophobie auch viel mit der Angst der Bevölkerung vor
dem Islam zu tun hat. Menschen lassen sich von den Medien und den
rechtsradikalen Politikern manipulieren. 
So
entsteht das Feindbild Islam oder, wenn man von der muslimischen Frau spricht, ein weibliches Feindbild Islam. Im Buch
von Dr. Ineke van der Valk wird das Thema der Diskriminierung der muslimischen
Frau auf vielen Ebenen auch aufgegriffen und als „Intersektionalität“
definiert. Wir von ProMosaik e.V. haben in unserer Übersetzung des Buches auch
hervorgehoben, wie sehr die muslimische Frau am meisten unter der
Diskriminierung der Muslime in Europa zu leiden hat.
Uns
scheint, dass sich der europäische Rassismus hin zur religiösen Diskriminierung
von Minderheiten verschoben hat. Daher finden wir den Namen der Initiative „Wer
hat Angst vor Kopftuchmädchen“ so großartig….!!
Wir
glauben einfach, dass der Rassismus vom ethnischen auf den religiösen Rassismus
übergegangen ist und dass ethnische Erkennungsmerkmale auch genutzt werden, um
am Ende eine Religion zu diskriminieren. Dasselbe Modell sehen wir auch im
Antisemitismus. Der Antisemitismus verbindet die ethnische Diskriminierung des
jüdischen Volkes mit der Diskriminierung seines jüdischen Glaubens. Daher
werden Synagogen angegriffen. Im Islam findet sich auch sehr oft eine Kritik
externer Merkmale, um die Religion zu diskriminieren und das Volk gegen sie
aufzuhetzen. Und daher werden Moscheen angegriffen.
Wir
bitten Sie alle, dieses Interview zu teilen und zu verbreiten. 
Wir
bitten Sie, Zivilcourage zu zeigen, wenn muslimische Frauen diskriminiert
werden.
Stehen
Sie auf gegen die Diskriminierung von Kopftuchfrauen. Zu den Kopftuchfrauen
gehören auch Kopftuchfrauen aus anderen Religionen. Ich denke hier auch an die
orthodoxen jüdischen Frauen, die auch Kopftuch tragen.
Dankend
Dr.
phil. Milena Rampoldi
Redaktion
von ProMosaik e.V.  

(Quelle:
labournet.de)
1.-
ProMosaik e.V. setzt sich u.a. zum Ziel, die Islamfeindlichkeit in Deutschland
zu bekämpfen. Am meisten betroffen von der Islamophobie sind die muslimischen
Frauen mit Kopftuch. Warum denken Sie, dass Frauen gerade im Westen, der sich
immer für die Frauenrechte einsetzt, so diskriminiert werden?

Das hat viele Gründe. Einer der Hauptgründe für diese Diskriminierung ist
sicherlich, dass es von der Situation der Frauen  im Westen ablenkt.
Frauen im Westen, die nicht-muslimisch sind, sind selbst immer noch umfassenden
Diskriminierungen ausgesetzt. Diese Diskriminierungen betreffen alle
Lebensbereiche von Frauen und führen zu Geschlechterungerechtigkeiten in allen
Bereichen. Frauen übernehmen immer noch die meisten Aufgaben im Haushalt, sind
vornehmlich für die Kindererziehung zuständig, verdienen erheblich weniger als
Männer trotz gleicher Qualifikation, und sind in Führungspositionen kaum
vertreten. Eine gute deutsche Mutter hat sich immer noch aufopfernd um ihre
Familie zu kümmern. Zusätzlich müssen sich Frauen als Folge der
Pornografisierung entsprechend männlicher Bedürfnisse verhalten, da sie sonst
als prüde gelten und nicht begehrenswert für Männer sind. Die Medien zeigen
eine zunehmend eingeschränkte Rollenvorstellung von Frauen, und sexuelle
Attraktivität und absolute Verfügbarkeit sind absolut notwendig, um zumindest
auf den ersten Blick bewundert zu werden. Das sind alles Punkte, die deutlich
machen, dass es mit der Gleichberechtigung in Deutschland für Frauen nicht sehr
weit gekommen ist. Der Fokus auf eine Gruppe von Frauen, die angeblich noch
weniger Rechte hat, ist hier sehr hilfreich. Anstatt sich mit der wirklichen
Situation von Frauen insgesamt zu beschäftigen, beschäftigen sich viele mit der
offensichtlich, sichtbar anders aussehenden Frau mit Kopftuch.


Weitere Gründe sind natürlich, dass als Folge der Pornografisierung und der
zunehmenden Prostitution alle Frauen, die sich diesem Diktat der sexuellen
Verfügbarkeit nicht beugen, angegriffen werden. Auch Frauen, die kein Kopftuch
tragen, aber sich weniger sexualisiert kleiden oder weniger attraktiv sind,
werden beschimpft oder beschämt.. es stellt ein Affront gegen die westliche
Männlichkeit dar.
Frauen haben sich im Westen rudimentäre Rechte vor vergleichsweise kurzer Zeit
erkämpft, wie zum Beispiel das Recht ohne Erlaubnis des Ehemanns zu arbeiten,
das erst in den 70ern möglich wurde, und haben Angst vor einem Backlash, auch
wenn dieser wenig mit dem Kopftuch zu tun hätte. Allerdings glauben viele
Frauen dies. Die Idee ‘Freiheit heißt  Nackheit’ wurde von vielen Frauen
akzeptiert.  

Außerdem wird der Islam insgesamt diskriminiert und im Zusammenhang selektiver
Wahrnehmung nur unangenehme Zusammenhänge gesehen. Anstatt die Gewaltrate
gegenüber allen Frauen und auch Kindern zu sehen (die fast überall gleich ist),
wird Gewalt gegenüber muslimischen Frauen besonders hervorgehoben. Ein
muslimischer Ehrenmord und ein deutsches Familiendrama: mit der Sprache fängt
es an. Beide Tötungsformen von Frauen haben sicherlich ähnliche Täterprofile
als Hintergrund, aber in der deutschen Variante ist es ein bedauerliches
Versehen aus Verzweiflung und die Frau wird auch noch als Teilschuldige mit eingebaut,
denn sonst wäre es ja kein Familiendrama, sondern die Ermordung einer Frau.
 Der Islam bedroht sicherlich auch die Macht der kirchlichen Strukturen in
Deutschland und muss auch deshalb bekämpft werden bzw. eine inhaltliche
Auseinandersetzung verhindert werden. Die wenigsten Deutschen haben den Koran
selbst gelesen und dies wird auch kaum unterstützt und sogar bekämpft (wie
geschehen im Zusammenhang der Verteilaktion von Koranübersetzungen der „Wahren
Religion“. Wenn der Koran so furchtbar ist, dann wäre ja aber eine
Verteilaktion gut gewesen, damit jede/r Kenntnis davon hat, wie furchtbar der
Koran ist).

Das Kopftuch macht all diese genannten Punkte sichtbar. Allerdings werden jetzt
auch zunehmend traditionell gekleidete muslimische Männer diskriminiert und
ihnen die Planung von Terroranschlägen unterstellt. Frauen mit Kopftuch wird
mittlerweile nur die völlige Blödheit und freiwillige Unterwerfung zu
männlicher Dominanz vorgehalten.

2.- Welche Hauptziele sollten sich die Kopftuchfrauen in Deutschland setzen, um
den Kampf gegen ihre eigene Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft
selbst in die Hand zu nehmen?

Es ist wichtig, in allen gesellschaftlichen Bereichen präsent zu sein, auch
wenn es schwer ist, um so ein anderes Bild darstellen zu können. Die Fremde
kann jede/r hassen, aber die Kollegin oder nette Nachbarin weniger. Frauen
sollten sich also vernetzen um gemeinsam an verschiedenen Orten hier aktiv sein
zu können und um sich gegenseitig zu unterstützen. Nur durch vermehrte Präsenz
wird eine Veränderung möglich sein und diese Präsenz kann völlig
unterschiedlich aussehen. Es kann die Mitgliedschaft in einer Partei sein, im
Elternbeirat, in einem Bündnis oder in einem Sportverein. Sich alleine einer
oft diskriminierenden Umgebung auszusetzen ist eine zu große Hürde und deshalb
ist die vorherige Vernetzung wichtig. Vielleicht sollte auch ein Leitfaden,
intelligente Antworten auf dumme Fragen, erstellt werden, um auf vieles
vorbereitet zu sein. Manche Verhaltensweisen in deutschen Zusammenhängen sind
auch schwierig, aber es muss auch nicht die Teilnahme am Jungesellinnenabschied
sein um mehr Präsenz zu zeigen. Es geht hier nicht um „Integration“, fast schon
ein Unwort, sondern um Nähe herzustellen. Je ferner und unbekannter mir jemand
ist, desto eher kann ich ein FeindInnenbild aufbauen und erhalten. Aus diesem
Grund wäre Vernetzung wichtig. Die Fremde kann jede/r hassen, aber die Kollegin
oder nette Nachbarin weniger.


Das Hauptziel sollte sein, die Gemeinsamkeiten mit allen Frauen zu betonen,
nicht die Unterschiede.
Hierdurch ist es auch nichtmuslimischen Frauen möglich den Kampf zu
unterstützen, denn viele glauben leider das Konzept der untergeordneten
Muslima. Die Unterschiede werden schon oft genug betont von den Medien. In
Kooperation mit anderen sind Informationsveranstaltungen gut. Muslimische
Frauen sind doppelt diskriminiert: als Frauen und als nicht-deutsche. Andere
Frauen sollten in keinem Fall für sie sprechen, aber  ohne Vernetzung sind
alle Frauen in geschwächter Position. 

3.- Denken Sie, dass die Islamfeindlichkeit heute die Stelle des alten
Rassismus einnehmen wird? So nach dem Motto: von der Angst vor dem schwarzen
Mann gehen wir über auf die Angst vor dem Kopftuchmädchen?

Ja, ich denke im Zusammenhang der zunehmenden Radikalisierung als Folge der
Ressourcenverknappung und Klimaveränderung wird dies nicht ausbleiben und ist
vielleicht auch schon passiert. Alle Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas
haben Erdöl und Gas. Fast alle waren von Kolonialisierung betroffen und von
kapitalistischer Ausbeutung, oft auch in Kooperation des Westens mit den Eliten
der jeweiligen Länder. Der Islam hat hier eine Gegenkultur gebildet und
politische Kämpfe gegen diese Ausbeutung und Verelendung organisieren können.
Die Interpretation des Korans mag hier fragwürdig sein, aber der Islam als
politische Organisation stellte eine Bedrohung des Westens dar. Eine Machtübernahme
von strengeren muslimischen Gruppen könnte den Zugriff auf Ressourcen durch den
Westen unmöglich machen.   Kriegseinsätze zur Sicherung der
Ressourcen durch den Westen müssen allerdings der eigenen Bevölkerung als
notwendig verkauft werden. Die Bevölkerung muss ja die Tötung von Millionen von
Menschen hinnehmen und auch fordern. Um diesen Zweck zu erfüllen ist es
hilfreich, das Konzept vom „Bösen“ zu schaffen und  die GegnerInnen zu
entmenschlichen. Der Islam wird sozusagen zum „Bösen“ als solches, auch wenn
immer beteuert wird, dass es ja nur einige wenige sind, die im Namen des Islam
Gräueltaten und Terrorakte verüben. Natürlich werden auch die eigenen
Kriegseinsätze als harmlos dargestellt.



(Quelle:
livenet.ch)



4.- Welcher Art von Diskriminierung sind die muslimischen Frauen ausgesetzt?
Können Sie hier unseren Leserinnen und Lesern Beispiele nennen?

Arbeitsstellen, die öffentliche Repräsentanz erfordern, sind mittlerweile fast
völlig verschlossen. Durch die fehlende Möglichkeit zu arbeiten, sind
muslimische Frauen mit Kopftuch gezwungen, ein traditionelles Frauenbild zu
leben und verstärken somit wieder Vorurteile. Ein furchtbarer Kreislauf. Die
fehlende Präsenz in der Öffentlichkeit führt zur weiteren Stärkung von
Vorurteilen, denn muslimischen Frauen bleibt es verwehrt sich als kompetent,
selbstbewusst, und freundlich darzustellen, und dies sind alles Eigenschaften,
die in Deutschland als wichtig betrachtet werden.
 

Dazu kommen ständige Kommentare und abfällige Blicke in der Öffentlichkeit.
Fremde glauben zu wissen, wie ihr Leben als muslimische Frau aussehen muss.
Witze über die völlige Unterwerfung gegenüber den Männern in der Familie sind
an der Tagesordnung, oder muslimische Frauen müssen indiskrete Fragen über ihr
Leben beantworten und über ihren Kleidungsstil.

5.- Welche Ziele sollte sich Ihrer Meinung nach der wahre islamische Feminismus
heute im Westen stellen?

Der wahre islamische Feminismus sollte zurückkehren zu einer eigenen
Interpretation des Islam. Viele muslimische Länder, genauso wie westliche
Länder, sind männerdominiert und haben den Koran von ausschließlich männlicher
Sicht interpretiert. Frauen in den westlichen Ländern haben die Möglichkeit,
durch einen anderen gesellschaftlichen Kontext, eigene Überlegungen und
Auslegungen zu thematisieren. Der Koran und die Anwendung gelten für Männer und
Frauen genauso-und insbesondere das sollten muslimische Frauen deutlich machen.
Es gibt keine Aussagen im Koran, dass Frauen bestimmte Verhaltensweisen haben
sollten und Männer andere und vor Allem: Allah ist weder Mann noch Frau.
 

Das Patriarchat unterdrückt sowohl muslimische wie nichtmuslimische Frauen.
Ziel sollte es sein, diese Gemeinsamkeit mit westlichen Feministinnen deutlich
zu machen um die Spaltung von Feministinnen untereinander zu beenden. Männliche
Macht kann nur vernetzt und gemeinsam mit allen Frauen überwunden werden. Alle
Frauen können erst wirklich unabhängig sein, in Bezug auf die eigenen
Lebensentscheidungen, wenn Sie ein eigenes und sicheres Einkommen haben und im
Bereich Arbeit und Familie frei sein können. Hier sind umfassende Maßnahmen
notwendig und die Erreichung von Zielen in diesen Bereichen verändert und
verbessert das Leben aller Frauen.