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Rezension zum Buch über Louis Hunkanrin, einem Menschenrechtler aus dem heutigen Benin


In dieser Rezension möchte
ich Ihnen einen vergessenen, heldenhaften Journalisten und Menschenrechtler aus
der französischen Kolonialzeit vorstellen: 
Louis Hunkanrin. 

Über ihn habe ich das folgende Buch veröffentlicht, um an sein heldenhaftes Leben und sein engagiertes Pamphlet gegen die Sklaverei zu erinnern.

 Den Anstoß zur
Verfassung meiner Schrift über sein Leben und sein Pamphlet gegen die Sklaverei
in Mauretanien, das 1931 in französischer Sprache erschien und dann in Europa
vollkommen in Vergessenheit geriet, gab mir der marxistische französische
Historiker Jean Suret-Canale
(1921-2007) gegeben, der über Hunkanrin Folgendes schrieb:


Louis Hunkanrins Kampf und Leben gehören nun der Geschichte an. Aber ich
bin vertrauenswürdig, dass bald Anderen über ihn detailliertere Schriften
verfassen werden, um seinen großen menschlichen Kampfgeist zu verewigen. Denn
seine einzige Zielsetzung im Leben bestand in der Durchsetzung der Rechte
Afrikas und der Menschenrechte.
Ich finde, dass Hunkanrins aussagekräftige Worte heute
wie damals immer noch aktuell sind und gewürdigt werden sollen. Ich freue mich
daher sehr, den deutschen Lese-rinnen und Lesern diesen großen und in
Vergessenheit geratenen kritischen Journalisten und unermüdlich enga-gierten
Menschenrechtler vorstellen zu dürfen, der für mich ein wahres Symbol des
Gerechtigkeitskampfes in Kolonialafrika darstellt.  
Kurz einige Informationen zu seiner Biographie:
Louis Hunkanrin wurde am 25.
November 1887 in Porto Novo, der heutigen Hauptstadt des Staates Benin,
geboren. 1904 wurde dann Dahomey definitiv in die französische Kolonie
Westafrika einverleibt. 1960 erlangte Benin dann nach 54 Jahren seine
Unabhängigkeit von Frankreich, die Hunkanrin noch persönlich erlebte.
Hunkanrin stammte von der
königlichen Familie in Dahomey ab und genoss daher eine vorzügliche Erziehung.
Der junge Louis studierte an der Ecole
Normale
de Saint-Louis in Senegal, die damals das einzige Institut für die
Lehrerbildung in ganz Französisch-Westafrika war, und wurde 1907
Grundschullehrer. Nach dem Abschluss seines Studiums begann er seine berufliche
Tätigkeit in der Stadt Ouidah an der Atlantikküste von Dahomey als
Grundschullehrer. Er kam aber sehr bald aufgrund seiner kompromisslosen
Geisteshaltung in Konflikt mit dem Schulleiter, da Hunkanrin sich nicht davor
scheute, offene Kritik gegenüber der französischen Kolonialherrschaft auszuüben
und ein kompromissloser und felsenfest überzeugter Anhänger des höchsten Ideals
der Gerechtigkeit war, das für ihn auch im Erziehungsbereich unverzichtbar als
Ziel angestrebt werden sollte. 
Er findet daraufhin 1910, nach
seiner Entlassung aus dem Schuldienst, seine Berufung im (regime)kritischen,
engagierten und extrem mutigen Journalismus. Er wird ein Berufungs-Journalist,
der aber eine direkte Bedrohung für die Kolonialherren und ihre ungerechten und
korrupten Praktiken in Französisch-Westafrika darstellt, da er zum Symbol eines
unermüdlichen Kampfes für die Gerechtigkeit und die Menschenrechte wird. Er
gründet 1910 auch die erste Sektion der Ligue
des droits de l’homme
in Dahomey und wird aufgrund seiner aktiven
Auflehnung gegen die Missstände der Kolonialregierung auch verhaftet. 
Aufgrund der politischen
Feinde, die er sich durch seine engagierte journalistische Tätigkeit in Dahomey
gemacht hatte, musste Hunkanrin das Land verlassen und setzte so seine
journalistische Tätigkeit 1913-14 in Dakar für die Zeitungen La Dépêche Coloniale und La démocratie du Senegal fort. Hier wird
er erneut festgenommen. 
In Dakar lernt er dann den
senegalesischen Politiker Blaise Diagne (1872-1934) kennen, mit dem er sich
anfreundet und eng zusammenarbeitet. Diagne wurde als erster Schwarzer in das
französische Repräsentantenhaus gewählt, was für die damaligen Verhältnisse
eine wahre Sensation war. Mit Hilfe der Ideen von Blaise Diagne, dem er einige
Jahre sehr nahe stand, verfei-nerte Hunkanrin auch seine Kritik am
französischen Kolonialismus. Diagne war wie auch Hunkanrin ein starker Befürworter
der Aufhebung jeglicher Rassendiskriminierung in Französisch Westafrika, da
gerade Frankreich für Ideale wie Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit stand
und diese für alle Menschen, unabhängig von ihrer Kultur und Hautfarbe gelten
sollten, diese die Grundüberzeugung von Hunkanrin.
1914 kehrt Hunkanrin aus
Senegal wieder in seine Heimat zurück, wo er wieder verfolgt wird. Er setzte
sich gegen die Rassendiskriminierung ein und plädierte für die Bedeutung der
Erziehung der Afrikaner, um den Durchbruch hin zur Gleichheit mit den Franzosen
zu schaffen. Diagne verschaffte ihm dann 1918 die Möglichkeit, als Freiwilliger
im Ersten Weltkrieg zu dienen. 
Aber bald trennten sich die
Wege der beiden Männer, weil Hunkanrin Blaise Diagne vorwarf, er hätte sich
schmieren lassen, um Afrikaner in den Militärdienst aufzunehmen. Der
Militärdienst war damals auch für viele afrikanische Sklaven ein idealer
Fluchtweg, um sich ihre Freiheit zu erkaufen.
Während seiner Zeit in
Frankreich begann Hunkanrin 1917 seine journalistische Tätigkeit für Recadère de Behanzin. Diese Zeitung
hatte Hunkanrin zusammen mit dem Ethnologen, Schriftsteller und Politiker aus
Dahomey Paul Hazoume (1890-1980) im Untergrund gegründet. Hazoume gehört wie
auch Hunkanrin zur Elite des Landes. In dieser Zeitung ging es den beiden
Journalisten grundsätzlich darum, sich gegen die Verwaltung des korrupten,
französischen Gouverneurs zu richten. 
Drei Jahre später gründete
Hunkanrin dann in Paris in Zusammenarbeit mit dem antillanischen Anwalt und
Journalisten Max Clainville-Bloncourt Le
Messager dahoméen,
nachdem er bereits Abstand von der kolonialistischen
Anschauung von Diagne genommen und sein Angebot, in die Heimat zurückzukehren
und dort Karriere zu machen, zurückgewiesen hatte.
Auch diese neue Zeitung
verfolgte das Ziel der Denunzierung der Missstände der Kolonialherrschaft in
Dahomey und setzte sich für die republikanischen Ideale ein, obwohl einige
Mitglieder auch die Zuwendung zu kommunistischen Idealen dann mit einer antikolonialen
Gesinnung von Ho Chi Minh (1890-1969) verbanden. 
Zwischen den beiden Weltkriegen
beginnt eine Bewegung der Schwarzen hin zur Identitätsfindung und weg von der
kolonialen Assimilierung im Namen der schwarzen Presse-freiheit. Und gerade in
diesen Rahmen fällt die gemeinsame Zeitung von Max Clainville-Bloncourt und
Louis Hunkanrin. Es geht um die schwarze Einheit in der Diaspora, die dann
einen sehr starken Einfluss auf die Befreiung und den Kampf für die
Gerechtigkeit in den einzelnen Herkunftsländern ausübt. Kurzum geht es um
Panafrikanismus. Hunkanrin nahm mit Diagne auch teil am zweiten
Panafrikanischen Kongress in London, Brüssel und Paris im August und September
1921. In Frankreich entsteht gerade 1922 in dieser neuen kulturellen Stimmung
die radikale Monatszeitschrift Le Paria, die
Schwarzen und Asiaten weltweit ihre Stimme verleiht. 

Beispiel
einer Karikatur aus Le Paria
Am Kommunismus inspiriert sich
auch die Zeitschrift La Voix Nègre des
politischen Aktivisten Lamine Senghor (1889-1927) aus Senegal.
Es entstehen zwischen den
Weltkriegen in Frankreich zahlreiche schwarze Zeitschriften, die alle das Ziel
der internationalen Emanzipation der Schwarzen anstreben. Während des
Faschismus und der xenophoben Bewegungen in Frankreich orientiert sich die
schwarze Bewegung immer mehr in Richtung der antifaschistischen Linken. 
Um auf Hunkanrin
zurückzukehren, möchte ich kurz über das Jahr 1923 berichten, das meiner
Meinung nach das schwerste Jahr für Hunkanrin war, der nach der Teilnahme am
passiven Widerstand gegen die Kolonialverwaltung, welche die Zwangsarbeit in
Dahomey unterstützte, in Porto Novo zu einem zehnjährigen Zwangsexil nach
Mauretanien verurteilt wurde. Er hatte eine Petition eingereicht, um die
Einführung weiterer Steuern zu verhindern und somit die schwachen Schichten der
Bevölkerung zu unterstützen. Auf diese Weise hatte er natürlich die „Ordnung“
des französischen Kolonialregimes in Frage gestellt. Sein beachtlicher Mut zur
Meinungsfreiheit und zur Opposition gegen die Ungerechtigkeiten des
Kolonialregimes, die er während seines Exil aktiv fortsetzt, wird auch 1933
nach seiner Rückkehr in die Heimat keineswegs gebrochen. Hunkanrin bleibt nach
dem Exil derselbe: ungebrochen. Und gerade das ist der wundervolle Aspekt, der ihn
meiner Meinung so heldenhaft macht. 
Der passive Widerstand hatte
aber auch ein positives Ergebnis gebracht, da den Städten Porto Novo, Cotonou
und Ouidah an der Küste des Landes 1925 ein besonderer Autonomiestatus als communes mixte gewährt wurde. Den
passiven Widerstand leistete Hunkanrin auch in Zusam-menarbeit mit dem
franco-muslimischen Komitee, das sich wie er gegen die Inflation und die
schlechten Zustände der Arbeiterklasse auflehnte.
Der gemeinsame Aufstand der
Linken und Muslime von 1923 wurde von der Regierung militärisch hart
nieder-geschlagen. 
Nach seiner Rückkehr aus dem
mauretanischen Exil schreibt Hunkanrin erneut für verschiedene Zeitungen,
u.a. 
für La Voix du Dahomey und Courier du Golfe de Benin. Die von Schwarzen geführten Zeitungen hatten nun eine Zukunft, weil es in
der Zwischenzeit eine Gesetzes-änderung gegeben hatte, nach der eine Zeitung in
Dahomey auch von Schwarzen und nicht nur von Franzosen geleitet werden durfte.
Nach den Dekreten von Regnier-Rollin 1935 kam es aber wieder zu Verfolgungen
der Journalisten und natürlich auch des unermüdlichen Regimekritikers
Hunkanrin. Die Zeitung Voix de Dahomey wurde
verklagt und Hunkanrin zu einer Geldstrafe verurteilt. 
Daraufhin trifft ihn während
des zweiten Weltkrieges eine weitere Verfolgung, weil er das Regime von Vichy
nicht anerkennt und sich auf die Seite von Charles de Gaulle stellt, der sich
damals im algerischen Exil befindet. Wegen Gaullismus wird er 1941 zum Tode
verurteilt. Sein Todesurteil wird aber in eine Deportation nach
Französisch-Sudan (im heutigen Mali) umgewandelt, wo er bis 1947 im Exil lebt
und dann wieder in die Heimat zurückkehrt. Auffällig ist, dass er sogar nach
dem Fall von Vichy 1944 immer noch in Haft blieb. Dies hing mit den Wahlen von
1945-6 zusammen, von denen die Kolonialregierung die Oppositionellen fernhalten
wollte.
Die Sympathisanten von Charles
de Gaulle wurden während des Vichy-Regimes damals im gesamten Lande sehr schwer
verfolgt. So wurde auch Jean Adjovi zusammen mit Hunkanrin ins Exil geschickt. 

Eingang des Hauses
SOGNIGBE in Ijofin, Exilresidenz von Louis Hunkanrin
Zusammen mit Pierre Johnson und
Féliho waren Adjovi und Hunkanrin für das exekutive Komitee des freien
Frankreich gegen Vichy in Dahomey vorgesehen gewesen, ein politisches Projekt,
das aber am Ende scheiterte.
Um 1947 seine Befreiung zu erwirken,
wurde ein Verteidigungskomitee für Hunkanrin gegründet, um ihn zu rehabilitieren
und das ungerechte Urteil von 1941 gegen ihn wieder gutzumachen. Die
Organisation Secours populaire de France setzte
sich mit diesem Ziel beim Minister der Kolonien für Hunkanrin ein.
Schlussendlich wurde dem Journalisten die Heimreise nach Dahomey genehmigt.
Ungebrochen setzte er seine Arbeit als Journalist fort und gründet eine neue
Zeitung, die Le Trait d’Union, in der
er wiederum die Missstände der Kolonialregierung angriff.
Als Benin 1960 seine
Unabhängigkeit von Frankreich erlangte, lebte Hunkanrin noch bis zu seinem Tode
im Jahre 1964 in seinem Lande, wo er auch den Präsidenten des unabhängigen
Benins als Berater zur Seite stand. 
Um seine Weltanschauung besser
zu erläutern, finde ich sein Werk Un
forfait colonial : l’esclavage en Mauritanie
 zentral, weil sich hier die wichtigsten
politischen und menschen-rechtlichen Ideen von Hunkanrin finden. Das Pamphlet
wurde 1931 in Paris von der Ligue des
droits de l’homme
veröffentlicht. Es denunziert in allem die Korruption der
französischen Kolonialherrschaft, die Rassendiskriminierung, das Kastenwesten,
die Sklaverei. Was aber für Hunkanrin so wichtig ist, ist aufzuzeigen, wie die
Franzosen Schuld an der Verewigung der Sklaverei im Lande sind, weil sie
korrupt mit den Sklavenhändlern und den Herren zusammenarbeiten, anstatt die
Institution der Sklaverei im Namen der Ideale der französischen Revolution
effektiv zu bekämpfen. 
Wie stark sich die
republikanischen Ideale des Mutterlandes Frankreich von der mauretanischen
Realität der Versklavung großer Teile der Bevölkerung unterschieden, war für
Hunkanrin das Hauptmotiv, diese Institution zu denunzieren und somit scharfe
Kritik an der Kolonialverwaltung auszuüben.
Hunkanrin ließ sich auch nach
zehn Jahren Exil nicht umstimmen. Er war kein Gegner der mission civilisatrice der französischen Kolonialmacht, ein
Standpunkt, den ich natürlich nicht teile, aber nachvollziehen kann, wenn ich
davon ausgehe, wie sehr Hunkanrin an die republikanischen Werte des
französischen Mutterlandes glaubte und diese in seinem Land umsetzen wollte und
somit von Frankreich forderte. Er forderte von Frankreich dieselben Rechte für
die Afrikaner und auch chancengleiche Erziehung für alle. Er hatte dabei in
seinem Idealismus nicht gesehen, wie sehr sich Kolonialherrschaft und „Export“
der europäischen Demokratie nach Afrika in der Praxis widersprechen. Er blieb
aber sein Leben lang seiner politischen und pädagogischen Berufung treu.
Nachdem er die Ideale der Aufklärung in der westlichen Pädagogik erlernt hatte,
strebte er danach, eine Gleichberechtigung zwischen Franzosen und Afrikanern im
Kolonialregime zu erzielen. Er hörte nicht auf, für seine Ideale zu kämpfen,
ein Aspekt, den ich in ihn nahezu heldenhaft finde, wenn wir uns vor Augen
führen, wie oft er ins Exil, deportiert und verhaftet wurde. 
Somit ist Hunkanrin für mich
persönlich heute weder der unassimilierbare Gegner der korrupten französischen
Kolonialherrschaft noch der Nationalist von Benin, sondern mehr, und zwar ein
Mann, der für die Gerechtigkeit kämpfte und mit den Unterdrückten und Schwachen
solidarisierte, indem er ihnen eine Stimme gab, unabhängig davon, welcher
Religion oder welchem Stamm sie angehörten. Er rief auch alle Weltanschauungen
und Religionen in einer Art synkretistischem, marxistisch orientierten Humanismus
dazu auf, Ausbeutung, Sklaverei und Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen.
Wie Djivo in seiner Biographie von Hunkanrin
schreibt: « son amour de la justice et sa profonde sympathie pour les
opprimés ont déterminés ses lignes d’action politique ».
Auf dieser Grundlage griff er
auch die menschen-verachtende Institution der Sklaverei in Mauretanien während
der französischen Kolonialherrschaft an. Seine Bemühungen gegen die Sklaverei
hatten aber auch konkrete Ergebnisse erzielt und nicht nur Menschenseelen
bewegt: 1933 wurde eine interne Untersuchung eingeleitet, um das Problem der
Sklaverei in Mauretanien zu ergründen. 
Nun möchte ich auf den Inhalt
des Pamphlets von Hunkanrin über die Sklaverei in Mauretanien übergehen.
Hunkanrin stellt für mich ein Modell dar, das sich in Mauretanien immer wieder
wiederholt: Wer die Sklaverei und ihre Verwerflichkeit im Namen des Islam, des
Kommunismus, Marxismus, der Menschenrechte oder des Humanismus oder welcher
Ideologie oder Religion auch immer, offen und scharf kritisiert und denunziert,
wird vielfach verhaftet. 
Ein wichtiger Aspekt der
Weltanschauung von Hunkanrin, der auch am Beispiel seines Denunzierens der
mauretanischen Sklaverei zum Ausdruck kommt, ist sein panafrikanisches Denken,
das er auch mit Saïdou Kane gemeinsam hat. Es geht beiden, wie auch Nelson
Mandela, darum, Ungerechtigkeit und Rassendiskriminierung, Sklaverei und
Unterdrückung im Namen der Menschlichkeit entgegenzuwirken und diesen Kampf
über die nationalen Grenzen auszuweiten. Für mich war Hunkanrin ein
Gerechtigkeitskämpfer und kein Nationalist.  
Das Pamphlet birgt eine
unvergleichbare, sprachliche Stärke in sich. Es fesselt jede Leserin und jeden
Leser sofort und bindet sie/ihn an die Gedanken von Louis Hunkanrin und führt
sie/ihn dazu, sich mit dem Thema der Sklaverei in Mauretanien im Namen der
Gerechtigkeit und der Menschenrechte auseinanderzusetzen. 
Hunkanrin schreibt ohne
Diplomatie, frei von jeder Zensur und denunziert eine Realität, die man nur
denunzieren und verurteilen kann: und zwar die der Sklaverei. Die definitive
Zielscheibe bleibt aber immer die französische Kolonialherrschaft mit all
ihren  Missständen. Er fordert in seiner
Einleitung zum Pamphlet Frankreich dazu auf, seinen humanitären Idealen gerecht
zu werden und in ihrem Namen der Institution der Sklaverei in Mauretanien ein
Ende zu bereiten.
Zu Beginn des Pamphlets
beschreibt Hunkanrin die verschiedenen Stämme der Schwarzen, die von den weißen
Mauretaniern wie Tiere gehalten werden. Es werden ihnen die Menschlichkeit und
die Menschenwürde abgestritten.
Er beschreibt anhand realistischer
Beispiele die Verankerung der Sklaverei in der maurischen Gesellschaft und die
Verewigung des Status der Sklaven durch das Erbe. 
Der menschenverachtenden
Realität der Sklaverei muss im Interesse der französischen Kolonialmacht
entgegengewirkt werden. So formuliert dann Hunkanrin die Anklage gegen die
Elite der Beydane in Mauretanien,
indem er sagt, die Mauren würden sich für Aristokraten halten, die im Namen
Allahs geschaffen wurden, um auf Kosten anderer zu leben. Die gesamte
mauretanische Wirtschaft basiert in all ihren Bereichen auf der kostenlosen
Arbeit der schwarzen Sklaven, und dies im 20. Jahrhundert in einer
französischen Kolonie, wo Frankreich sich immer als Befürworter der Gleichheit
und Gerechtigkeit darstellt, so Hunkanrin. 
Nach dieser scharfen Kritik am
französischen Kolonialismus, an der Ausbeutung der Sklaven durch die weiße,
maurische Bevölkerung und an der Faulheit einer Elite, die es sogar wagt, diese
Institution der Sklaverei als von Allah gewollt zu bezeichnen, folgt ein
wundervoller Brief von Hunkanrin an den Gouverneur von Kiffa (im Bezirk von
Assaba) in Mauretanien. Hier unterstützte Hunkanrin verschiedene
Sklavenfamilien und forderte sie auf, sich bei der Kolonialverwaltung über
ihren Zustand zu beschweren und ihre Befreiung zu fordern, da diese ihnen
gesetzlich zusteht. 
In seiner Ansprache im Pamphlet
fordert Hunkanrin für seine schwarzen Mitbürger und sich die Gleichberechtigung
und Gleichbehandlung als „Kinder Frankreichs“, somit die Gleichheit aller
Bürger vor dem französischen Gesetz, was natürlich die sofortige und effektive
Abschaffung der Sklaverei in Mauretanien bedeuten würde und nicht nur die
Verabschiedung von Farcen-Verordnungen und -gesetzen, wie es seit 1848 im Lande
der Fall ist.

Es folgt dann die Auflistung
einiger französischer Rechtstexte zwecks Abschaffung der Sklaverei in
Westafrika, die bedauerlicherweise nichts anderes als eine Farce sind. 
Schon 1848 hatte die
französische Kolonialherrschaft offiziell die Sklaverei in den Kolonien
abgeschafft. Die Kommission des Menschenrechtlers Victor Schœlcher (1804-1893),
die eingerichtet wird, um die Sklaverei schrittweise in allen französischen
Kolonien im Namen der Werte der Republik abzuschaffen, erhält einen
symbolischen Wert, obwohl der Senator Schœlcher als überzeugter französischer
Abolitionist seiner Zeit galt. Er war ein überzeugter Humanist und Philanthrop,
dessen nicht-utopischer Realismus der Abschaffung der Sklaverei nicht ins Bild
der kolonialen Aneignung der mauretanischen Gebiete passte. 
Denn sehr bald konzentrierte
sich die Kolonialmacht Frankreich nur mehr auf die Suche nach Allianzen, um die
Macht zu Gunsten der Kolonialwirtschaft im Lande zu erhalten. Und dies war nur
möglich, wenn Frankreich sich mit der herrschenden Klasse der maurischen
Sklavenhalter arrangierte.  
Die Befreiung aller Sklaven auf
dem Papier durch die französische Kolonialmacht führte dann zum Verkauf der
Sklaven durch ihre Herren, welche die Zeit zwischen der Erklärung der
theoretischen und effektiven Befreiung der Sklavinnen und Sklaven nutzten, um
Kapital rauszu-schlagen. Seitdem heißt es in allen französischen Gesetzen, dass
die menschliche Würde und die Gleichheit aller Menschen oberste Priorität
haben. Aber diese Ideale stoßen schon sehr bald auf den Widerstand der
Sklaven-halter und –treiber Westafrikas, die sich gegen die Befreiung ihrer
„Ware“ wehren. So werden die Sklaven nicht befreit, sondern in der Tat nur an
den nächsten Bestbietenden weiterverkauft. 
Und so kommt es zur Situation,
die Hunkanrin dem französischen Kolonialregime in seinen Briefen an die
Kolonialbeamten vorwirft: die enorme Diskrepanz zwischen der Theorie des
Gesetzes und seines republikanischen Gehaltes und der Praxis der tief in der
Mentalität und Kultur der Menschen verwurzelten Institution der Sklaverei, mit
der sich dann auch die Kolonialherren arrangieren.  
Dasselbe gilt auch für die
Verordnung zur Abschaffung des Sklavenhandels von 1905. Hunkanrin gibt sich
aber mit der Accomodation nicht
zufrieden und klagt die Allianz Frankreichs mit dem Sklavenhaltersystem der
mauretanischen Kasten nicht nur im Namen des Kommunismus, sondern auch des
Monotheismus, scharf an. Nachdem der Autor dem Gouverneur seine eigenen
Gesetze, die im Lande nicht eingehalten werden, vorgeführt hat, nimmt er Bezug
auf die religiöse Pflicht, die für alle Monotheisten gilt, sich durch Arbeit
den Lebensunterhalt zu bestreiten, was die Mauren aber nicht tun, weil sie zu
diesem Zwecke die schwarze Bevölkerung im Lande ausbeuten. Er denunziert die
Falschheit der Mauren, die sich gegen die Gesetze Allahs stellen, wenn sie
Sklaven halten. Für Hunkanrin, wie ich auch für mich und alle Abolitionisten im
Islam, widerspricht die Sklaverei den Grundprinzipien des Islam, und vor dem
Islam des Judentums und des Christentums. Aber in der französischen
Kolonialliteratur wird der Islam noir
oft als nicht wahrhaft islamisch betrachtet, um eine verschiedene Behandlung
der sogenannten „bastardised“ Muslime in Westafrika durchzusetzen, zu der auch
die Akzeptanz der Sklaverei in Mauretanien gehört. Hier sehen wir, wie der
Islam auf beiden Seiten, der französischen und der maurischen so unglaublich
manipuliert wird, um die Sklaverei zu erhalten. 
Anbei ein treffendes Zitat zur
Erklärung dieser widersprüchlichen Anschauung des Islam Noir, ein von der Kolonialmacht Frankreich erfundenes
Konstrukt zwecks Unterdrückung der Schwarzen durch eine Allianz mit den
Sklavenhalter-Dynastien der Mauren:
„Die
Anerkennung des Islams nur im Rahmen seiner in Afrika etablierten und
entwickelten Formen stellte eine Form kolonialer Traditionskonstruktion dar,
die in den französischen Kolonialgebieten zur Entstehung des „Islam noir“
führte. Nach diesem Konzept galt der „Islam noir“ im Vergleich zum vorgeblich radikalen
und rassistischen Islam „arabe“ als „tolerant“ und „synkretistisch“. Trotz
solcher Vorstellungen betrachteten sich die Kolonialbehörden bewusst oder
unbewusst häufig als Nachfolger der muslimischen Herrscher-dynastien…“ 
Nach diesem bedeutenden Diskurs
über die Verbindung zwischen der Manipulierung der Religion des Islam durch die
Sklavenhalter und die Ausbeutung der Sklaven im Lande, wendet sich Hunkanrin
wirtschaftlichen Betrachtungen zu, indem er erklärt, wie die Abschaffung der
Sklaverei zum Reichtum des Landes und zu seiner ökonomischen Entwicklung
beitragen kann. Wie auch Kane nach ihm, glaubt Hunkanrin an ein Mauretanien
nach der Abschaffung der Sklaverei, in dem Mauren und Schwarze gemeinsam das
Land aufbauen und zu seinem Reichtum beitragen. Er widersetzt sich auch den
Argumenten, nach denen die Befreiung der Sklaven zu Unruhen und Prostitution
führen wird. Das gerade ist die Version des Islam, die sich die
Kolonialregierung zurechtbiegt, um sich nicht gegen die Beydane aufzulehnen und
die Sklavinnen und Sklaven definitiv zu befreien.
Im Namen der französischen
Menschlichkeit appelliert der Autor am Ende dieses ersten Briefes an den
Gouverneur, damit er diese Geste der Menschlichkeit geschehen lässt und somit
die Gestaltung eines versöhnten, wirtschaftlich entwickelten Mauretaniens ohne
Sklaverei ermöglicht.
Hunkanrin berichtet auch, dass
er die Angelegenheit der Ligue des Droits
de l’homme
vorgelegt hat, die sich ihrer annehmen muss.
Am Ende seines Textes folgt
eine Beschwerde, die Hunkanrin am 10. Juni 1930 an den Staatsanwalt von
Tidjikja Abdi Ould Helive stellt. Er denunziert hier die Rückführung von
befreiten Sklaven in die Häuser ihrer maurischen Herren und Ausbeuter. Erneut
zitiert der Autor die gesetzlichen Bestimmungen der französischen Kolonialmacht
gegen die Sklaverei und bittet den Staatsanwalt, seinem Antrag stattzugeben und
diese Menschen erneut zu befreien, wie es das Gericht angeordnet hatte. 
Es folgt eine weitere
Beschwerde derselben Art an die Staatsanwaltschaft der französischen
Kolonialmacht. Der Autor bittet um die Befreiung von Sklaven, die im Gegensatz
zu ihm, der sich in Gefangenschaft befindet, mehr leiden und Opfer größeren
Unrechts sind als er selbst. Er fordert Gerechtigkeit und die Abschaffung
dieser verwerflichen Ausbeutung von Menschen durch andere Menschen. Die
Kolonialmacht und ihre karrieresüchtigen und korrupten Beamten versuchten sich
aber vor allem, was die Gerichtsbarkeit anging, mit den Mauren zu arrangieren. 
Abschließend schreibt Hunkanrin
noch, wie dieser Verstoß gegen die Gerechtigkeit und diese unmenschliche
Insti-tution unwürdig für ein Land wie Frankreich sind, das auf den Prinzipien
der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit basiert. Ich hoffe, dass meine
Leserinnen und Leser den Ausdruck und die Kraft der Worte von Louis Hunkanrin
so lieben werden wie ich und sich durch diesen Anstoß auch weiter mit dem Thema
der Bekämpfung der Sklaverei in den islamischen Ländern beschäftigen werden. 
Das Jahr 1930, in dem Hunkanrin
diese Seiten schrieb, war genau das Jahr der Konferenz der internationalen
Arbeits-organisation gegen die Zwangsarbeit vier Jahre nach dem internationalen
Abkommen zur Abschaffung der Sklaverei, im Rahmen derer eine Konvention
ratifiziert wurde, die Frankreich aber erst 1937 ratifizierte. Es folgte 1956
die UN-Konferenz zur Abschaffung der Sklaverei.
Am Ende manipulierten die
französische Kolonialmacht und auch die weißen Mauren (die Beydane) den Islam zu ihren jeweiligen Zwecken: wenn es den
Franzosen für ihr Image notwendig erschien, nutzten sie die islamischen
Aufforderungen zur Sklavenbefreiung aus, um Menschen im Namen des Mutterlandes
Frankreich zu befreien und in die sogenannten freien Dörfer zu bringen, während
sie dann wiederum im Namen des Islam darauf verzichteten, die
Sklaverei-Tradition der Muslime zu berühren, um keine sozialen Unruhen zu
verursachen und die falsche Interpretation des Islam durch die Mauren
beizubehalten. Die Mauren nutzten ihrerseits den Islam und die Verse des Korans
über die vorislamische Sklaverei, um diese Institution zu verewigen und
kostenlose Arbeitskräfte zu erhalten. Befreit wurden wenn überhaupt vor allem
Männer, welche die neue Arbeiterklasse der Haratine bildeten, während Frauen
sexuell ausgebeutet wurden, um neue Sklaven für ihre Herren zu gebären. Eine
Schande, gegen die sich Hunkanrin einfach nur wehrte, und dies ein Leben lang! 
Denn wie aus der offiziellen
Beschreibung Mauretaniens in der Exposition
coloniale internationale de 1931
hervorgeht, ein Dokument, das im selben
Jahr veröffentlicht wurde, in dem Hunkanrin seine engagierten Pamphlete
verfasste, sah die französische Kolonialverwaltung die einzige Möglichkeit
zwecks Erhaltung ihrer Macht in Mauretanien 1931 immer noch in der Allianz mit
den Stämmen der Mauren, deren soziales System aber auf Ausbeutung und Sklaverei
basierte.
Hierzu
heißt es ganz klar im folgenden Ausschnitt über die Methoden der
Kolonialverwaltung, um den sozialen „Frieden“ mit den Mauren zu gewährleisten:
« Dorénavant, la méthode
politique de pénétration s’appuie sur l’utilisation à notre profit des chefs
maures dont l’action servira à affermir la paix naissante. Les tribus sont
groupées sous l’autorité de quelques grands chefs, investis par nous, après
avoir été acceptés par les djemaas ». 

Bild eines französischen Verwaltungspostens in
Boutilimit 1934, wo gerade eine Karawane erwartet wird, aufgenommen von der
französischen Reisenden Odette du Puigaudeau.
Und genau
diese Allianz zwischen den französischen Kolonialherren und den weißen Mauren (Beydane) bedeutet die Verewigung der
Kasten- und Sklavengesellschaft in Mauretanien durch die Kolonialmacht
Frankreich, die Hunkanrin so stark kritisiert.

Freue mich auf Ihre Kommentare hierzu!!

dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.