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Von Islam e.V. zu einer wahren Religionsfreiheit für die Musliminnen und Muslime in Deutschland? Ein Beitrag von Hassan Mohsen


Liebe Leserinnen und Leser,
anbei finden Sie einen interessanten Artikel von unserem Kollegen Hassan
Mohsen zum Thema der fehlenden Anerkennung des Islam in Deutschland. Es geht
hier um die Rechtslage und deren Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis zwischen
den Religionen. Ich finde, dass dieses Thema unbedingt vertieft werden sollte,
vor allem auch mit Hilfe der Schriften von Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, den ich
einen Pionier auf diesem Gebiet der Religionsfreiheit als Menschenrecht finde.
Möchte nun Herrn Mohsen das Wort übergeben und ihm nochmal für seinen
Beitrag danken. Die Redaktion von ProMosaik e.V. freut sich auf Ihre Kommentare
und Ihre Diskussion hierzu auch auf Facebook und im Blog.
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V. 
Religionsfreiheit
für Muslime in Deutschland oder Islam e.V.?
von Hassan Mohsen
Die rechtliche Situation des Islam in
Deutschland ist unbefriedigend. Die christlichen Kirchen wie auch die jüdische
Religionsgemeinschaft sind als Körperschaften des Öffentlichen Rechts in
Deutschland anerkannt. Sogar die relativ kleine religiöse Gruppierung der
Yeziden sind als Religionsgemeinschaft anerkannt. Aufgrund dieses Status’
genießen sie eine Reihe von Rechten aber auch Pflichten, die ihnen mehr
Partizipation und damit auch die Ausübung ihrer verfassungsrechtlich
verbrieften Religionsfreiheit in der deutschen Gesellschaft garantieren.
Verfassungsrechtlich verlangt das Grundgesetz, dass auch die kollektive
Religionsfreiheit für die Muslime verwirklicht wird. 
Die Religionsfreiheit für Muslime in
Deutschland existiert rechtlich überhaupt nicht. Muslime haben allenfalls eine
Versammlungs-und religiöse Vereinigungsfreiheit, die sie in Vereinen ausüben.
Muslime stören sich an dieser einseitigen Diskriminierung und verfolgen das
Ziel der Anerkennung ihrer Religion als „Religionsgemeinschaft“ oder
„Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (KdöR). 
Das Ziel, den Islam in Deutschland
mit anderen Religionsgemeinschaften rechtlich gleichzustellen, folgt letztlich
auch aus dem Grundgesetz. Für den Staat bringt dieser rechtliche Zustand den
Vorteil, dass diese Religionen in Deutschland über eine Repräsentationsstruktur
verfügen, die eine Kooperation und den Dialog mit ihren Vertretern ermöglicht.
Außerdem würde eine rechtliche Verbesserung die gesellschaftliche Teilhabe der
Muslime am gesellschaftlichen Leben in Deutschland enorm fördern und wäre damit
ein wichtiger Beitrag zu ihrer Inklusion. 
Muslimen wird des Öfteren
vorgeworfen, sie seien weder willig sich zu ‘integrieren’, noch seien sie
‘Integrierbar’ in ‘die’ deutsche Gesellschaft. Was aber, wenn die ‘deutsche’
Gesellschaft und das von höchster Instanz, einen Keil zwischen die
Integrationsbereitschaft und den Muslimen schiebt? Bund und Länder können sich
einer Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften nicht verweigern. Wenn
die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, die an eine Anerkennung als
Religionsgemeinschaft oder an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts
geknüpft sind, muss der Islam auch rechtlich anerkannt werden.
Wenn Muslime in Deutschland fordern,
den Islam als Religionsgemeinschaft anzuerkennen, verlangen sie keine extra
Wurst. Es ist nur eine Frage der Gerechtigkeit und das Recht der Muslime, so was
zu fordern. Der Staat muss sich nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts
als “Heimstatt aller Bürger” verstehen, unabhängig von ihrem
religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis. Der Staat darf sich daher nicht
mit einem bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis identifizieren,
sondern muss allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften neutral und
tolerant gegenüberstehen. Also auch dem Islam und den Muslimen.
Die fehlende rechtliche Anerkennung
des Islam in Deutschland verletzt die Religionsfreiheit der in Deutschland lebenden
Muslime und ihren Anspruch auf Gleichberechtigung in der Religionsausübung. Das
Bundesverfassungsgericht hat in unzähligen Entscheidungen bekräftigt, dass der
Staat verpflichtet ist, selbst Raum für die aktive Betätigung der
Glaubensüberzeugung zu sichern. Das Grundgesetz sichert die Religionsfreiheit
in Artikel 4 des Grundgesetzes. Geschützt wird nicht nur die individuelle
Glaubensfreiheit, sondern auch der Status von Religionsgemeinschaften an sich. 
Der Menschenrechtler Heiner
Bielefeldt sagte: „Wie alle
Menschenrechte verlangt die Religionsfreiheit Gleichberechtigung

(Quelle:
dvgn)
Einige verwechseln das
Neutralitätsgebot des Staates mit dem Laizismus. Zwar herrscht in Deutschland
der Grundsatz religiöser Neutralität des Staates. Er ist aber nicht mit einem
strikten Laizismus zu verwechseln, wie er etwa in Frankreich herrscht. Vielmehr
ist neben der Glaubensfreiheit des einzelnen (Artikel 4 Grundgesetz) auch die
Kooperation mit Religionsgemeinschaften und in Grenzen auch deren Förderung
verfassungsrechtlich verankert. Der Staat hat für die Förderung des religiösen
Lebens günstige Bedingungen zu schaffen, damit die Bürger auch wirklich in der
Lage sind, ihre religiösen Rechte auszuüben und die religiösen Pflichten zu
erfüllen. 
Falls eine Ausgrenzung des Religiösen
aus dem öffentlichen Raum von Staats wegen vorangetrieben wird, verstößt dies
zugleich gegen die Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz; denn die
Religionsfreiheit umfasst immer auch das öffentliche Bekenntnis bzw. das
öffentliche Wirken der Religionsgemeinschaften. Günstige Bedingungen für die
Förderung des religiösen Lebens, damit muslimische Bürger auch wirklich in der
Lage sind, ihre religiösen Rechte und Pflichten auszuüben, fehlen in
Deutschland. Insofern ist eine wichtige Komponente der Religionsfreiheit, den
Religionsgemeinschaften auch die Betätigung in der gesellschaftlichen
Öffentlichkeit zu eröffnen, nicht erfüllt.
 
Die Inklusion des Islams in das
religionsverfassungsrechtliche System Deutschlands ist eine politische Prüfung für
die Wertschätzung und Anerkennung, die anderen Religionen entgegengebracht
wird. An dieser Prüfung entscheidet sich, ob Bund und Länder in die deutsche
Verfassung integrierbar sind oder nicht. 
Im Unterschied zum Vereinsstatus ist
der Körperschaftsstatus für die Religionsgemeinschaften vor allem wegen des
Rechts zur Erhebung von Steuern interessant. Auch die Dienstherrenfähigkeit,
also die Befugnis, Beamte zu haben und somit Dienstverhältnisse
öffentlich-rechtlicher Natur zu begründen, die nicht dem Arbeitsrecht und dem
Sozialversicherungsrecht unterliegen. Somit wäre das Problem mit der Lehrerin
mit Kopftuch auch gelöst. Muslimas lehren dann einfach an (islamischen) Schulen
mit Kopftuch. Da der Direktor der Schule selbst ein Muslim sein wird und die Muslima
mit Kopftuch genauso als Beamtin gelten würde, wie jede andere Lehrerin auch.
Mit dem Körperschaftsstatus würden islamische Glaubensgemeinschaften eine
Vielzahl von Sonderrechten wie steuerliche Begünstigungen und
Gebührenbefreiungen erhalten. 
Oder sie würden eine Vorrangstellung
im Bereich der Sozialhilfe und Wohlfahrtspflege, Entsenderechte in Rundfunkräte
und in die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften besitzen. Wenn
muslimische Vertreter beispielsweise im Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen
Fernsehanstalten sitzen, müsste eine Falschaussage oder eine Diskriminierung
gegenüber den Muslimen und dem Islam zuerst an den Muslimen im Rundfunkrat
vorbei. Dies wäre eine Verbesserung des öffentlichen Bildes der islamischen
Religion. Da zur Zeit kein Muslim in irgendeinem Rundfunkrat sitzt, der auch
tatsächlich die Muslime vertritt, kann über den Islam und die Muslime
ungehindert alles berichtet werden, sei es korrekt oder nicht.
Konsequenz wäre im Übrigen auch eine
Partizipation der Muslime im Programm des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks: Es
könnte dann analog zum Wort zum Sonntag für Muslime künftig z.B. auch ein Wort
zum Freitag geben. Auch ließen sich Regelungen über Gebetsmöglichkeiten in
Krankenhäusern und zu religiöser, seelsorgerischer Betreuung von
Gefängnisinsassen entwickeln. 
Jedenfalls gehen mit der Verleihung
des Körperschaftsstatus ein erheblicher Prestigegewinn und Zuwachs an
gesellschaftlichem Einfluss einher. Muslime müssen von der Politik als Teil der
Gesellschaft akzeptiert werden. Langfristig gehört zur Inklusion auch, dass der
Islam als Religionsgemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten anerkannt wird.
Zur Inklusion Bedarfs es auch an mehr Beteiligungsmöglichkeiten für muslimische
Bürger. Bei einer einseitigen Diskriminierung einer Religionsgemeinschaft darf
man sich nicht wundern, wenn Einzelne sich ausgegrenzt fühlen. Kritiker
verweisen gerne auf die Religionsfreiheit anderer Religionen in muslimisch geprägten
Gesellschaften, dem können wir entgegnen, dass wir nur für das verantwortlich
sind, worauf wir einen (direkten) Einfluss haben. Kritiker schimpfen gerne auf
Verletzung der Religionsfreiheit in muslimischen Gesellschaften, um die
Verletzung der Religionsfreiheit der Muslime hier in Deutschland zu
legitimieren. Fakt ist: Es gibt für Muslime in Deutschland keine
Religionsfreiheit; lediglich eine Vereins- und Versammlungsfreiheit weil der
Islam in Deutschland nicht als „Religion“ als solches Anerkannt ist, sondern
lediglich als e.V.
Hassan Mohsen (BIG-Partei
Delmenhorst)