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Und weiter geht es mit dem Buch von ProMosaik e.V.: Thema Dialog


Prinzip 6
ProMosaik bedeutet Dialog und Erziehung zum Dialog.
Wenn ich an die Funktion und
Bedeutung des Dialogs im Zusammenhang mit dem Frieden denke, der für mich der
Beginn und das Ende des steilen Weges ist, den ProMosaik e.V. mit seinen
Leserinnen und Lesern beschreiten und erleben möchte, so sehe ich den Dialog
als ein Mittel zwecks Umsetzung der Ideale des Friedens in Gesellschaft und
Politik.
Mir liegt auch hier sehr am Herzen,
die Dimension und Tiefe des Dialogs aufzuzeigen, damit wir auch hier vermeiden,
einen oberflächlichen und pseudotoleranten oder noch schlimmer
pseudoempathischen Dialog zu führen, anstatt uns wirklich auf den ANDEREN bzw.
die ANDEREN einzulassen, sie wahrzunehmen und uns tatsächlich engagiert mit
ihnen zu unterhalten.
Der Dialog bedeutet eine wahre und
tiefe Auseinandersetzung mit dem ANDEREN, der nicht als Objekt meiner Gedanken
und Projektionen gesehen wird, sondern als unabhängig denkendes Subjekt, das
sich nicht meinen Standpunkten und Wünschen beugen muss.
Dialog bedeutet nichts
Sophistisches: ich nutze den Dialog nicht aus, um den Menschen, der mir
gegenüber steht, davon zu überzeugen, wie rethorisch begabt ich bin oder wie
gut ich ihn von meinem Standpunkt überzeugen kann, weil ich so sprachgewandt
bin, dass er gar nichts mehr dagegensetzen kann. Das ist genau die falsche
Interpretation des Gedanken des Dialogs, der hingegen empathisch und
respektvoll, offen und tolerant verlaufen soll. 
Der Dialog ist kein Machtkampf, aus
dem eine Idee siegreich herauskommt, sondern ein Prozess, während dessen ich
mich dem Anderen öffne, mich ihm offenbare, während der Andere genauso handelt.
Ich nähere mich dem Anderen, nehme die Gemeinsamkeiten und Unterschiede wahr
und verfolge dabei aber niemals das Ziel, ihn zu manipulieren und auf meine
Seite zu ziehen.
Der wahre Dialog macht vielen
Menschen auch Angst, weil sie sich davor fürchten, ihre Persönlichkeit, ihre
Emotionen, ihr Wesen und ihre unbewusste Welt offenzulegen… sie fürchten sich
davor, sich dem ANDEREN auszuliefern und vergessen dabei aber, dass der ANDERE
genau dasselbe tut, wenn er sich im wahren Sinne des Wortes mit ihnen
unterhält. Damit möchte ich gerne zum Ausdruck bringen, wie der wahre Dialog
auf Reziprozität basiert und die Welten zweier Subjekte offenlegt, die sich
begegnen und aufeinander zugehen. Und das ist eben riskant und gleichzeitig
bereichernd.
Wenn ich an Dialog denke, halte ich
mir auch immer das bunte Mosaik vor Augen, in dem die Steinchen miteinander in
Kontakt treten, ohne ihre Farbe zu verlieren und ohne sich mit der Farbe des
Anderen zu vermischen. Ich möchte damit aber nicht abstreiten, dass ich meine
Identität formen und verändern kann, wenn ich mit dem ANDEREN in einen
konstruktiven Dialog der Begegnung trete, sondern möchte damit sagen, dass ich
jedem Mosaikstein diese Freiheit lassen möchte, sich nicht vom anderen
Steinchen beeinflussen zu lassen, wenn er das nicht möchte.
Daher besteht eine wichtige
strategische Regel des wahren interkulturellen und interreligiösen Dialogs
gerade darin, Menschen nicht bewusst manipulieren und beeinflussen zu wollen.
Dialog bedeutet auch in der Reziprozität die eventuelle Stärke nicht
auszunutzen, um Menschen auf seine eigene Seite zu bringen. Denn Überzeugung
kann nicht aufgedrängt werden. Wenn ich jemanden überzeuge, dann rührt die
Überzeugung aus dem Bewusstsein des Anderen als Ausdruck seiner freien
Entscheidung und nicht als externes Ergebnis einer Manipulation her.
Der wahre Dialog respektiert stets
die Persönlichkeit und Würde des Anderen. Er respektiert auch das Schweigen
oder die fehlende Dialogbereitschaft des Anderen. 
Der wahre Dialog bedeutet für
ProMosaik Empathie und Respekt, zwei Haupttugenden, die jeder Mosaikstein
aufweisen sollte, um sich mit den anderen Mosaiksteinen zu unterhalten und mit
ihnen konstruktiv am Aufbau einer friedlichen, gerechten und schönen
Gesellschaft zu arbeiten. Der Dialog erhebt sich somit zu einem wesentlichen
Mittel der Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen und Religionen,
weil er nichts Imperialisisches an sich hat, sondern auf Toleranz, Empathie und
Respekt der Menschenwürde des ANDEREN basiert. Dialog ist das Gegenteil von
Machtausübung, das Gegenteil von Manipulation und das Gegenteil von erzwungener
Persuasion. 
Und dieser Dialog muss gelernt
werden, und dies mit Hilfe einer empathischen und engagierten Erziehung zum
Dialog.