General

ProMosaik Türkei interviewt Hassan Mohsen zum Thema Spielsucht


Liebe Leserinnen und Leser,
anbei finden Sie das Interview unseres
Koordinators für die Türkei, Herrn Aygun Uzunlar, mit Herrn Hassan Mohsen, dem
Vorsitzenden der BIG-Partei Delmenhorst. BIG steht für ‘Bewegung für Innovation
& Gerechtigkeit’ und setzt sich in Delmenhorst für die Einschränkung des
Glückspiels für Jugendliche ein, da er ein völliges Verbot aus verschiedenen
Gründen als unrealistisch ansieht. Die Spielsucht ist gefährlicher als sie auf
Anhieb erscheint.

Herr Uzunlar teilt die Meinungen von Herrn
Mohsen auch hinsichtlich der Situation in der Türkei, wo das Glückspiel auch
eine große Gefahr für die Jugend darstellt und unbedingt mit Hilfe einer
effektiven Sozial- und Streetwork-Arbeit bekämpft werden muss.


Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften zum
Thema. Wenn Sie Vereine kennen, die sich im Bereich der Bekämpfung der
Spielsucht engagieren, können Sie deren Projekte und Bemühungen gerne auf
unserem Vereinsportal präsentieren.
Dankend
Dr.
phil. Milena Rampoldi
Redaktion
von ProMosaik e.V.  
Aygun Uzunlar von ProMosaik
e.V.:
WIE
GEFÄHRLICH IST GLÜCKSSPIEL FÜR UNSERE JUGEND UND WARUM?
Herr Mohsen von der BIG-Partei:
Nicht nur für
unsere Jugend, … auch viele Erwachsene sind von der Krankheit
„Glücksspielsucht“ betroffen. Es ist eine Krankheit und wer es nicht als solche
bezeichnen möchte, hat auf das falsche Pferd gesetzt. Glücksspielsucht bestimmt
meist das Alltagsleben der Süchtigen. Glückspielsüchtige nehmen fast jede
Gelegenheit wahr, um zu spielen und vernachlässigen Berufsleben, Familie und
soziale Kontakte. Sie weichen normalen Alltagsproblemen und negativen Gefühlen
aus, indem sie spielen. Das führt zu finanziellen, psychischen und anderen
Problemen.



(Quelle: sucht-rz.de)
Und die Folgen sind Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf. So verursachen
Glückspielsüchtige nicht nur für sich selbst, ihre Familien und Freunde,
sondern auch für die Kommunen hohe Kosten und Probleme. Denn für die
Folgeschäden haften nie die Automatenaufsteller, sondern wir als Steuerzahler.
Aygun Uzunlar von ProMosaik
e.V.:
2.- WIE MÖCHTEN SIE DAS
PROBLEM DES GLÜCKSSPIELS POLITISCH LÖSEN?
Herr
Mohsen von der BIG-Partei:
Gerne sehen wir
die Glückspielhallen verboten, aber realistisch ist dies leider noch nicht. Wir
setzten uns ein
für
ein Verbot von Glücksspielhallen in der Nähe von Jugendeinrichtungen und der
Innenstadt. Für ein Verbot von Glücksspielgeräten in Gaststätten und
Imbissbuden und für eine vermehrte Überprüfung der Glücksspielgeräte vor Ort
auf Kosten der Automatenaufsteller. Auch für eine Erhöhung der Spielautomatensteuer in unserer Stadt
setzten wir uns ein. Und zwar so hoch, dass es unattraktiv für
Spielautomatenaufsteller wird.
Dies ist aber nur ein Drehen am unteren Ende der Stellschrauben. Um
wirksam gegen Glückspielhallen vorzugehen, müssen wir am System rütteln. So
sieht es derzeit so aus, dass die Steuern aus dem Glückspielgeschäft in die
städtischen Haushalte fließen, so ist es für eine Kommune – bei der heutigen
desolaten Haushaltslage – attraktiver, die Glückspielhallen gewähren zu lassen.
Allein im Jahr 2014 erwarten wir in Delmenhorst rund 1 Million Euro aus den
Steuern aus Glückspielautomaten. Solange Kommunen von den steigenden
Glückspielhallen profitieren, wird sich nichts ändern. Auch werden die
Arbeitsplätze hoch gelobt, die durch die Glückspielbranche entstehen. Solange
das Bewusstsein fehlt, dass Glückspielhallen die Arbeitsplätze vor Ort
gefährden und die sozialen Kosten steigern, wird sich so schnell nichts ändern.

 
Aygun Uzunlar von ProMosaik
e.V.:
3.- WIE
KÖNNEN STREETWORKER UND SOZIALE PROJEKTE DAZU BEITRAGEN, JUGENDLICHEN ANDERE
ALTERNATIVEN ANZUBIETEN?
Herr
Mohsen von der BIG-Partei:
Streetworker
können einem da leidtun, da Streetworker die Schäden die von oben
(mit)verursacht werden ausbaden müssen. Nun denn, sicherlich ist viel
Aufklärung nötig. Die Schäden, die aus dem Glückspielautomaten kommen, sind nur
wenigen bewusst. Und sobald das Bewusstsein da ist, ist es schon fast zu spät.
Aber oft ist auch der Zugang zu Glücksspielsüchtigen schwer, da die Einsicht
fehlt, süchtig zu sein. Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung
(BzgA) bietet da Einiges an Material für die Aufklärung. Um andere Alternativen
anzubieten, müssen Gespräche mit Glückspielsüchtigen geführt werden, um zu
schauen, wo man sie abholen kann. Und da die Mittel und Gelder fehlen, bleibt
es ein trauriges Fazit, dass die Gewinne an die Glückspielbranche gehen, und
die Folgeschäden haben wir zu zahlen.
Aygun Uzunlar von ProMosaik
e.V.:
4.- WIE SIEHT DER ISLAM DAS
GLÜCKSSPIEL?
Herr Mohsen von der BIG-Partei:
Da der Islam die
gesellschafts-politischen Themen nicht auslässt, werden die Schäden für
Individuum und Gesellschaft immer wieder angesprochen. Der Islam betrachtet das
Glückspiel als verboten, so heißt es im Heiligen Qur´an: „…Glücksspiele
sind ein Gräuel […] So meidet ihn, auf dass ihr erfolgreich seid
“ (Heiliger
Qur´an 5:90), aber nicht nur das Spielen ist verboten, sondern auch die
Anwesenheit dabei, man soll beides nicht nur unterlassen, sondern explizit
meiden.
Aygun
Uzunlar von ProMosaik e.V.:
5.- WIE
GEFÄHRDET SIND MUSLIMISCHE JUGENDLICHE IN DEUTSCHLAND VOM GLÜCKSSPIEL?
Herr Mohsen von der BIG-Partei:
Bekanntlich macht
die Spielsucht auch nicht vor Muslimen halt. Statistiken zeigen, dass gerade
viele junge Menschen mit Migrationshintergrund, oft also Muslime, der
Spielsucht verfallen sind. Oft fehlt diesen Muslimen aber auch eine Anlauf-
oder Beratungsstelle, der sie vertrauen können. Diese Tatsache erschwert die
Situation. Die Zeit ist schon längst reif für einen Wohlfahrtsverband für
Muslime, der sich den (sozialen) Problemen der Muslime annimmt. Zwar sind heute
schon einige Ehrenamtliche tätig, doch meistens fehlt es an professioneller
Anleitung, um diesem Missstand Herr zu werden.
 
Aygun Uzunlar von ProMosaik e.V.:
6.- WAS DENKEN SIE PERSÖNLICH
ÜBER DIE SHARIA-POLIZEI?
Herr Mohsen von der BIG-Partei:
Hatte leider noch
nicht die Gelegenheit, mir ein persönliches Bild von dieser Aktion zu machen.
Bekanntlich deckt sich die veröffentlichte Meinung nicht immer mit der
öffentlichen Meinung. Es könnte auch als Amtsanmaßung (StGB § 132) gedeutet
werden, wenn man „Polizei“ nennt und Polizeiaufgaben wahrnimmt. Der Name „Scharia“
ist etwas unglücklich gewählt, dies stört auch viele Muslime, weil es ein
schlechtes Bild auf den Islam und die Muslime in Deutschland wirft. Und mit
Polizei assoziiert man etwas Anderes. Solange diese Aktion eine legale
Streetwork-Aktion ist, spricht nichts dagegen. Solange kein professioneller
Wohlfahrtsverband für Muslime da ist, der die Streetwork-Aktionen koordiniert
und evaluiert, wird es solche Ehrenamtlichen geben, die auch mal nach hinten
losgehen können. Ich könnte mir vorstellen, dass die Absicht hinter dieser Scharia-Polizei
eine Gute ist, aber der gewählte Name eine Provokation darstellt, um etwas
Aufmerksamkeit zu bekommen.
 Anbei für Interessenten noch
eine sehr informative Lektüre zum Thema: