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Prinzip 4 – es geht weiter mit dem Buch von ProMosaik e.V.

Liebe Leserinnen und Leser,

es folgt nun das vierte Prinzip unseres Manifestos.

Wir freuen uns wie bei den anderen Kapiteln auf Ihre Anregungen und viel konstruktive Kritik.

Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen

Dr. phil. Milena Rampoldi

Redaktion von ProMosaik e.V.


Prinzip 4
ProMosaik bedeutet Dialog zwischen Kulturen und
Religionen.
ProMosaik e.V. ist der festen Überzeugung, dass ein reiner
Dialog zwischen Kulturen oder ein reiner Dialog zwischen Religionen nicht
ausreichen, da die Verflechtungen und Verbindungen zwischen Kulturen und
Religionen so stark und dynamisch sind, dass ein Dialog nur auf der Grundlage
beider Dimensionen erfolgen kann.
Natürlich gibt es kulturelle Ausdrucksformen, in
denen die religiöse Komponente wichtiger ist als in anderen, aber eine völlige
Ausklammerung der religiösen Dimension von der kulturellen Weltanschauung eines
Menschen ist meiner Meinung kaum denkbar. Ich bin auch der Ansicht, dass
Agnostizismus und Atheismus Religionsformen sind, weil sie sich, in welcher
Form und Negativität auch immer, mit der Idee eines Gottes, eines Schöpfers
oder einer transzendenten oder immanenten Kraft, die dieser Welt pantheistisch
innewohnt, beschäftigen und auseinandersetzen, und dies unabhängig vom
Ergebnis, zu dem sie gelangen.
Kultur wie auch Religion sind durch einen starken
dialogischen Aspekt charakterisiert. Ich trete stets in Kontakt mit meiner
Geschichte, Umgebung, meinen Mitmenschen, der transzendenten Dimension und mit
meiner eigenen Seele und meinem intimsten Denken. Und all diese Dimensionen
lassen sich kaum voneinander trennen. Die zeitliche Dimension der Kultur und
Religion ist wesentlich für den Menschen, der sich auf die Geschichte
zurückbesinnt und sich eine Utopie der Zukunft ausmalt. Dieser Leitsatz von
Martin Luther King „I have a dream“ bezieht sich gerade auf die Gestaltung
dieser neuen Zukunft, die ich mir in meinen Farben ausmale. Und diese Farben
sind die Farben meiner Kultur, meiner Religion, meines Mosaiksteins. Und gerade
so denkt auch der ANDERE. Jeder reflektiert über die eigene Kultur- und
Religionsgeschichte und projiziert seine Wünsche und Ängste auf die Dimension
seiner Zukunft und liest auch die Vergangenheit und Gegenwart genau nach diesem
kulturell-religiösen Muster, ganz in seinem Farbton.
Aber diese Zukunft gehört uns allen: MIR und dem
ANDEREN, UNS und den ANDEREN… Und gerade darum geht es im Dialog zwischen den
Kulturen und Religionen. Die Bewegung und Begegnung, die wir im vorherigen
Prinzip gesehen haben, führt uns zum DIALOG… der DIALOG ist gerade die Stelle,
an der wir uns austauschen, treffen und somit eine fruchtbare Schnittstelle…
Einer von uns oder beide sind gereist. Wir stehen uns gegenüber und suchen nach
den Worten, um uns kennenzulernen. Oder wir distanzieren uns direkt, weil wir
es nicht hinbekommen, dem ANDEREN auch wirklich zu begegnen. Auch Schweigen und
ABLEHNUNG bedeuten Dialog, wenn auch im negativen Sinne des Wortes. Dialog ist
bedauerlicherweise nicht automatisch etwas Positives und Gutes. Dialog kann
auch Konflikt bedeuten und schweigende Ablehnung oder
Sich-Voneinander-Entfernen heißen.
Es ist aber wesentlich, dass der Dialog zustande
kommt. Aber er muss nicht um jeden Preis wie im Bilderbuch oder im Handbuch des
interkulturellen und interreligiösen Dialogs erfolgen: wir müssen nicht
unbedingt pseudo-empathisch an einem Tisch sitzen, uns freundlich ansehen und
ganz süß ansprechen… Dialog hat nichts mit diplomatischer Fähigkeit und
grenzenloser Kompromissbereitschaft zu tun, sondern mit: SPRICH DICH AUS, SAG
MIR, was dir am Herzen liegt! Dialog bedeutet aber auch Freiheit, dem ANDEREN
nicht zuzuhören, wenn man der Herausforderung nicht gewachsen ist oder den
Konflikt nicht verarbeiten kann. Das ist ein ausschlaggebender Punkt, denn
DIALOG basiert auf EHRLICHKEIT… und Ehrlichkeit stößt an ihre Grenzen, wenn
Angst und Aggression im Spiel sind und ich dann versuche, der Sache einfach
diplomatisch und pseudotolerant aus dem Weg zu gehen.
Ich hoffe, dass meine Leserinnen und Leser
nachvollziehen können, was ich mit diesem freien und realistisch empfundenen
Dialog außerhalb des Bilderbuches meine. Ich will auch nicht pessimistisch
klingen, sondern nur hervorheben, was für eine Herausforderung ein Dialog ist,
wenn ich diplomatische Pseudotoleranz abbaue und mich wirklich ehrlich und
offen verhalte. Ich muss aber die Tatsache respektieren, dass der ANDERE auf
dem anderen Steinchen nicht immer Lust darauf hat, sich mit einer oder einem
wie MIR auch so zu unterhalten, wie ich es hier beschrieben habe… sonst wäre
DIALOG auch keine Herausforderung, sondern eine diplomatische Übung und eine
pseudotolerante Kompetenzentwicklung.