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Unser Projekt 15 – Dr. phil. Milena Rampoldi: Das Beispiel von Shajarat ad-Durr: Philosophische Betrachtungen zu Frau und Politik im Islam auf der Grundlage der Werke von Bahriye Üçok und Jamal Badawi

Liebe Leserinnen und Leser,


auch in diesem Projekt geht es wie bereits in anderen Büchern des Vereines ProMosaik um das Thema der Frau in der islamischen Politik… oder besser um die Notwendigkeit, der muslimischen Frau ihren politischen Stellenwert zu erkämpfen, der ihr zu Beginn des Islam zustand. Anhand eines Kapitels des Werkes von Bahriye Üçok über die ägyptische Herrscherin Shajarat ad-Durr im islamischen Mittelalter und verschiedener Auszüge aus den Werken des ägyptisch-kanadischen Muslimbruders Jamal Badawi untersucht die Autorin die Grundlagen und potentiellen Chancen eines hermeneutischen Diskurses zu Gunsten der Einbeziehung der Frau in die Gesellschaft und Politik im Islam heute, ein Thema, das ihr als politisch engagierte Frau und Muslimin sehr am Herzen liegt.

Wir freuen uns auf eine rege Diskussion zum Thema

dankend
Die Redaktion von ProMosaik 

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In diesem Buch möchte die Autorin anhand von Auszügen aus den Werken der
türki-schen Islamwissenschaftlerin und Frauen-rechtlerin Dr. Bahriye Üçok, die
1990 durch ein Bombenattentat tragisch ums Leben kam,  und des ägyptisch-kanadischen Islamwissenschaftlers
Dr. Jamal Badawi aufzeigen, wie es auch in der Geschichte der muslimischen
Völker sehr wohl weibliche Herrscherinnen gab, die sich in einer misogynen Welt
mutig durchzusetzen versuchten. 
Die Wahl der Autorin fiel in diesem
Zusammenhang auf die ägyptische Herrscherin Shajarat ad-Durr. Sie verfolgt mit
dieser Veröffentlichung wie auch in ihren anderen Büchern über den islamischen
Feminismus das Ziel der Aktivierung der weiblichen Kräfte aus der islamischen
Tradition und Geschichte, um den Islam mit sich selbst, d.h. mit seiner
weiblichen Hälfte, zu versöhnen. 
Hierzu schreibt sie ganz im Sinne der
pakistanischen Politikerin Benazir Bhutto, die sich in ihrem Kampf für die
politischen Rechte der Frau gerade an die islamische Geschichte wendet:
„Shajarat
ad-Durr ist für den Kampf um die politischen Rechte der Frau im Islam ein
Vorbild, da sie sich gerade in einem Bereich zu etablieren versuchte, aus dem
die Frau am meisten verdrängt wurde, und zwar aus der Bühne der Macht und der
politischen Angelegenheiten im Allgemeinen”.
Die
Überlieferung des Propheten (sas), nach der „ein Volk, das von einer Frau
regiert wird, niemals gedeihen wird“ und die genutzt wird, um die muslimische
Frau aus der Politik zu verbannen, ist nicht als allgemeines Urteil anzusehen,
sondern als eine Meinung bezüglich einer geschichtlichen Gegebenheit, die sich
auf die damalige Feindschaft zwischen dem König von Persien Chosrau II. und dem
Propheten (sas) bezieht. Anhand der Königin von Saba und ihrer Regierungsform
der Shura zeigt Dr. Rampoldi auf, wie
eine korrekte Interpretation der Quellen des Islam nicht zum Ausschluss der
Frau aus Politik und Gesellschaft führt. Aber für den islamischen Feminismus
möchte sie auch die Männer gewinnen, da ein einseitiger Feminismus nur in einer
Sisyphusarbeit ausartet. Daher bezieht sie die Gedanken von Dr. Badawi in ihre
Betrachtungen über die politischen Rechte der Frau im Islam ein.
Im
ersten Kapitel des Werkes beschreibt sie das Leben und den tragischen Tod von
Dr. Üçok anhand eines Filminterviews mit ihrer Tochter Kumru im türkischen
Fernsehen. Im zweiten Kapitel geht sie dann auf die Präsentation eines Kapitels
aus Üçoks Werk Islam Devletlerinde Türk
Naibeler ve Kadın Hükümdarlar
(zu Deutsch: Türkische Regentinnen und weibliche Herrscherinnen in den islamischen
Ländern
) über das Leben und den politischen Werdegang von Shajarat ad-Durr
über und kommentiert dieses anhand weiterführender Quellen, insbesondere der
Dissertation von Götz Schregle über die Quellen von Shajarat ad-Durr mit dem
Titel Die Sultanin von Ägypten, Sağarat
ad-Durr in der arabischen Geschichtsschreibung und Literatur.
Die
historischen Betrachtungen der Autorin über die Machtkämpfe und Intrigen um die
weiblichen Herrscherinnen führen uns somit ins Herz der muslimischen
Realpolitik, die wie in allen Religionen der politischen Utopie diametral
entgegengesetzt ist: ein faszinierender Weg hin zur Erarbeitung eines innovativen
Paradigmas des islamisch-politischen Feminismus. 
Nach
dieser Reise in die Vergangenheit führt uns Dr. Rampoldi in ihrem dritten
Kapitel zurück zur Hermeneutik des Koran und der Hadith. Die beiden Ausschnitte
aus Dr. Badawis Werken Die
Gleichberechtigung der Geschlechter im Islam
und Leadership: An Islamic Perspective zeigen auf, wie notwendig eine
Reform in der muslimischen Welt heute ist, um den Frauen wieder ihre
islamischen Rechte, deren sie in der Geschichte beraubt wurden, zuzuerkennen
und zu gewähren.
Am
Ende ihrer Schrift findet Dr. Rampoldi eine Schnittstelle zwischen der
geschichtlichen Betrachtungen über das Leben von Shajarat ad-Durr im Werk von
Dr. Üçok und der Beschreibung der islamischen Führungsqualitäten im Werk von
Dr. Badawi über die Leadership. Die
Methode Badawis kann sehr gut auf die weiblichen Herrscherinnen angewendet
werden, um dann ausgehend von der Bühne der historischen Realpolitik ein
utopisches Modell der weiblichen politischen Führungsqualitäten für uns heute
auszuarbeiten.
Die Welt ist bunt.
Die Welt ist ein großes Mosaik voller Farben, das aus
verschiedenen Steinchen zusammengesetzt ist, die durch interkulturelle und
interreligiöse Brücken miteinander verbunden sind.